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"Wir kriegen dich. In der Stadt, auf dem Land oder in deinem Haus. Und niemand wird dich schützen." Diese Zeilen stammen aus einem anonymen Drohbrief, den Martin Klußmeier [SPD] im Februar in seinem Briefkasten fand. Klußmeier war Ortsvorsteher in Drehenthalerhof, der einzige Ortsbezirk der pfälzischen Kleinstadt Otterberg. Rund 400 Menschen leben dort. Bereits im Januar wurde Klußmeier mit Pfefferspray attackiert, kurz danach dann der Drohbrief. Der Ortsvorsteher zog Konsequenzen und trat zurück.

Ein Beispiel von vielen, wie der Blick in eine aktuelle Studie zeigt, die unter anderem in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt und dem Deutschen Städtetag entstand. Darin wurden die Antworten von rund 1.500 Amtsträgerinnen und Amtsträgern aus ganz Deutschland ausgewertet, in welchem Ausmaß sie mit Hass, Hetze und Gewalt konfrontiert sind.

Demnach hat fast die Hälfte der Befragten in den sechs Monaten vor der Befragung Anfeindungen gegenüber der eigenen Person erlebt. Mehr als jeder oder jede zehnte Betroffene hat laut Studie darüber nachgedacht, das Amt niederzulegen oder nicht erneut zu kandidieren.

Kann ich so bestätigen. Bin zwar kein Amtsträger, aber lokalpolitisch ein bisschen aktiv. Von Drohbriefen über geworfene Steine bis hin zu Gewalt ist in manchen Orten alles dabei. Angriffe auf SPD sind bei uns aber seltener geworden, weil sich die Täter inzwischen auf die Grünen konzentrieren.

"Ich glaube, vielen ist gar nicht bewusst, was da alles mit dazugehört", erzählt Lena Weber (SPD), Stadtbürgermeisterin in Hermeskeil, im Interview mit dem SWR. Gegen die vielen Anfeidungen habe sie sich inzwischen ein "Teflon-Cape" zugelegt, "wo das ein oder andere mittlerweile ganz charmant abperlt". Weber wurde 2019 mit nur 28 Jahren zur neuen Bürgermeisterin der 7.000-Einwohner-Stadt im Hunsrück gewählt.

Sie berichtet von platten Reifen, einer eingeworfenen Scheibe oder abgebrochenen Scheibenwischern an ihrem Auto.

Auch Hasskommentare im Internet gehören zum Alltag. "Irgendwann ist es dann auch was Normales, was man dann irgendwie annimmt." Anfangs habe sie noch die Polizei gerufen, aber mit der Zeit sei das nur noch müßig gewesen. Es hätte sich am Ende doch kein Täter gefunden.

Machtlosigkeit und einsetzender Gewohnheitseffekt - auch das scheint Alltag zu sein in den Rathäusern und Landratsämtern.

Jup. Hier geht inzwischen auch kaum mehr jemand wegen einem platten Reifen zur Polizei. Üblicherweise geht man direkt zum Vergeltungsschlag gegen die mutmaßlichen Täter über.

Die Studie zu Anfeindungen gegenüber Politikerinnen und Politikern stellt fest, dass nur etwa 15 Prozent solcher Vorfälle zur Anzeige gebracht wurden. Dabei handelt es sich bei körperlichen Angriffen, Androhungen von Gewalt oder Hass und Hetze im Internet um Straftaten. Der Deutsche Städtetag appelliert daher an alle Betroffene, solche Übergriffe auch anzuzeigen, weil es sonst nicht möglich sei, dagegen vorzugehen.

Die Studie: https://www.staedtetag.de/files/dst/docs/Presse/2022/KoMo-Bericht-Motra-2022.pdf

Paar Auszüge: -46% der Befragten haben Anfeindungen erlebt

-davon: 96% Beleidigungen, Bedrohungen, 4% Angriffe auf Politiker oder Besitz von Politikern

-60% der Befragten nutzen Social-media für Politik

-81% geben an „psychische Folgen“ durch die Anfeindungen zu haben

-Anfeindungen Ost: 51%, West: 43%

-Anfeindungen in Städten: 52%, in ländlichen: 43%

-Hauptamtliche 57% Anfeindungen, Ehrenamtliche 33%

-Frauen und Männer gleich betroffen

-über 10% der Betroffenen dachten über Amtsniederlegung nach

"Unser Gemeinwohl ist gefährdet, wenn sich Menschen nicht mehr für die Stadt oder Gemeinde engagieren wollen", fürchtet Markus Lewe (CDU) um zukünftiges Engagement für ein politisches Amt. Lewe ist Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister der Stadt Münster. "Kommunale Mandatsträgerinnen und Mandatsträger müssen ihr Amt ohne Angst ausüben können", fordert Lewe.

Denn Kommunalpolitikerinnen und -politiker seien für die Demokratie unverzichtbar, erklärte auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD). "Sie sind fast überall, vor allem da, wo man sie braucht. Das, was ihre Arbeit so wertvoll macht - die Bürgernähe - genau das begründet auch ihre Verwundbarkeit", so Steinmeier.

Einer der fast 40.000 Menschen, die sich in Rheinland-Pfalz in der Kommunalpolitik engagieren, ist Gerd Klasen (CDU), seit 2014 Bürgermeister der Stadt Polch im Landkreis Mayen-Koblenz. Klasen gehört jedoch auch zu den 15 Prozent aus der Studie, die die Anfeindungen gegen seine Person direkt zur Anzeige gebracht haben.

Klasen erhielt anonyme Drohbriefe an seine Privatadresse. "Wenn Sie in der Politik unterwegs sind, haben Sie nicht nur Freunde", weiß der Stadtbürgermeister um die Schattenseiten seines Amts. Kritik an seiner Tätigkeit als Bürgermeister sei auch vollkommen in Ordnung, aber "diese persönliche Schiene, das hat mich hart getroffen".

Fühle ich. Besonders übel ist es, wenn die persönliche Details, wie die Namen von Geschwistern erwähnen.

Klasen leitet die Drohbriefe direkt an die Kriminalpolizei weiter, dokumentiert alles, was mit den anonymen Anfeindungen zu tun hat. Jedoch vergeblich: Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen irgendwann ein, weil es keine konkrete Spur zum Absender gibt. "Angst hatte ich nie, zu keinem Zeitpunkt. Man will keine Angst haben", gibt Klasen Einblicke in sein Seelenleben. Beeindruckt und beeinflusst habe ihn die Sache aber schon. "Man sieht Gespenster, wo keine sind", beobachtet Klasen an sich selbst, dass er sich in der Öffentlichkeit anders verhält, dünnhäutiger wird. "Das ist schade, aber nur menschlich", findet er.

Lange wollte er damit nicht an die Öffentlichkeit gehen. Er hat es sich anders überlegt. Warum? "Ich möchte versuchen, mehr Menschen für dieses Ehrenamt zu gewinnen und möchte vermeiden, dass sie sich davon abbringen lassen, weil sie befürchten, angefeindet zu werden", so Klasen. "Diese Dinge haben mich nicht dazu gebracht, es nicht mehr zu tun." Der Polcher Stadtbürgermeister macht deutlich, wie wichtig Kommunalpolitik für eine lebendige Demokratie ist: "Leute, wir brauchen euch, wir brauchen dieses Ehrenamt!"

Inzwischen gibt es einige Anlaufstellen für Betroffene, auch in Rheinland-Pfalz. Das Landeskriminalamt (LKA) hat infolge der steigenden Zahl an Vorfällen sogar eine eigene Broschüre zu der Thematik veröffentlicht, in der es "Verhaltensempfehlungen" zur Sicherheit von Amts- und Mandatsträgern gibt. Einige davon lesen sich für Außenstehende beklemmend: "Halten Sie sich bei Bahnreisen nach Möglichkeit in belebten Abteilen auf", heißt es an einer Stelle. Unter dem Punkt "Sicherheit am Arbeitsplatz" rät das LKA, auf Familienfotos am Schreibtisch zu verzichten. Auch Scheren, Locher oder Tacker sollten in der Schublade aufbewahrt werden, da sie als Waffe verwendet werden könnten.

ok. Das ist krass.

Der rheinland-pfälzische Landtag hatte Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker am Mittwoch zur Diskussion auf das Hambacher Schloss eingeladen. In der symbolträchtigen "Wiege der deutschen Demokratie" haben sich Betroffene wie Gerd Klasen und Lena Weber zu ihren Erfahrungen mit Übergriffen ausgetauscht. "Es hat sich massiv etwas verändert", stellte Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) im Rahmen der Veranstaltung fest.

Der Respekt gegenüber Kommunalpolitikerinnen und -politikern habe abgenommen, obwohl deren Aufgaben laut Hering immer schwieriger werden. "Jeder Angriff gegen Kommunalpolitiker ist ein Angriff gegen uns alle, denn sie repräsentieren uns in den Kommunen", so Hering. Es gelte, die Demokratie zu verteidigen, da sie die Grundlage einer freien und offenen Gesellschaft sei.

Gemeinsam sollen nun Strategien erarbeitet werden, um mit den Anfeindungen in Zukunft noch besser umgehen zu können. Das ist leider auch notwendig, damit junge, politisch motivierte Menschen nicht Angst um ihr Leben oder das ihrer Familie haben müssen, wenn sie vielleicht nicht die Welt, aber zumindest ihre Heimat zu einem besseren Ort machen wollen.

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Hartmann war demnach alleine zuhause, als es klingelte. Er öffnete, ein Mann stand vor der Tür. Er forderte, Hartmann solle Einbahnstraßen-Regelungen zurücknehmen, drohte ihm Gewalt an und ging. Der Unbekannte hätte gesagt, "Ich kriege dich, ich erwische dich", so Hartmann im SWR. Der Mann habe außerdem gesagt, er wisse, wo Hartmann wohne und werde das verbreiten.

Nach dem Vorfall lief Hartmann dem Unbekannten nach eigenen Angaben hinterher. Es kam zu einem heftigen Wortgefecht. Danach ging Hartmann nach eigener Aussage ins Haus zurück und rief die Polizei. Der Politiker erstattete Anzeige. Kriminalpolizei und Staatsschutz ermitteln zu der Sache.

Hartmann schreibt auf seiner Webseite, ihm sei bewusst, dass Kolleginnen und Kollegen quer durch alle demokratischen Parteien Ähnliches erlebt haben und erleben. So etwas dann selbst zu erleben, gebe einem sehr zu denken. Im Gespräch mit dem SWR sagte Hartmann, im ersten Moment sei er verwirrt gewesen, dann wütend und zuletzt schockiert über das Erlebte.

Weiter führt Hartmann aus, viele wüssten offensichtlich nicht, dass er verkehrspolitische Maßnahmen wie die umstrittenen Einbahnstraßen-Regelungen nicht alleine entscheide, sondern im dafür vorgesehenen Mobilitätsausschuss. Für jede Entscheidung gebe es gute Gründe, die ausführlich kommuniziert worden seien. Beim Quartiersverkehrskonzept Innenstadt mit den Einbahnstraßen an Post und Sparkasse seien die Entscheidungen sogar einstimmig getroffen worden.

Hartmann sagte dem SWR, er versuche seinen Alltag von dem Vorgefallenen nicht beeinflussen zu lassen. "Das wäre ja auch schlimm, dann hätte diese Person nämlich auch gewonnen mit ihrer Vorgehensweise." Es sei wichtig, dass er auch weiter vor Ort und in der Stadt präsent sei, Öffentlichkeit gehöre zu seiner Aufgabe.

Hartmann sagte auch, er erhoffe sich eine klare Antwort der Zivilgesellschaft gegen solche Aktionen.

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Viele in der LINKEN atmen auf: Die lange Auseinandersetzung um Sahra Wagenknecht ist vorbei. Am 23.10. verkündete Sahra Wagenknecht per Pressekonferenz die Gründung des Vereins “Bündnis Sahra Wagenknecht”, aus dem im Januar 2024 ihre neue Partei entstehen soll. Was sind ihre Positionen, wie stehen Sozialist*innen dazu, und was bedeutet die Spaltung für DIE LINKE?

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Lukas Schön soll den neuen Verein von Sahra Wagenknecht als Geschäftsführer organisieren. Nun wird er mit schweren Vorwürfen seines ehemaligen Linken-Landesverbands konfrontiert.

Gegen Lukas Schön, den Geschäftsführer des neuen Vereins von Sahra Wagenknecht "BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit", liegt eine Strafanzeige wegen des Verdachts auf Datendiebstahl vor. Das berichtet das Nachrichtenmagazin "Stern", dem der Strafantrag vorliegt.

Demnach soll Schön, der zuvor Geschäftsführer der Linken in Nordrhein-Westfalen war, kurz vor seinem Parteiaustritt eine Kopie der Mitgliederkartei des Landesverbands angefertigt haben. Die NRW-Linke selbst hat dem Bericht zufolge die Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf gestellt. Auf Anfrage von t-online konnte die Behörde den Strafantrag zunächst nicht bestätigen.

Laut dem Bericht soll es sich um die Kontakt- und Adressdaten der rund 7.900 Mitglieder des Landesverbands handeln. "Eine solche Gesamtdatei zu erzeugen ist, wie auch die Bundesgeschäftsstelle bestätigt hat, natürlich völlig ungewöhnlich", zitiert das Nachrichtenmagazin aus dem Antrag. Das Vorgehen Schöns sei "auffällig" und es habe "keinen dienstlichen Grund" dafür gegeben. "Es besteht daher der Verdacht, dass Herr Schön die Daten nicht zur Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten exportiert hat, sondern in Vorbereitung des Projekts zur Gründung einer konkurrierenden Partei."

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Vor der geplanten Gründung ihrer eigenen Partei hat Wagenknecht den Austritt aus der Linkspartei erklärt. Auch die Co-Chefin der Fraktion, Amira Mohamed Ali, geht.

Die Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hat ihren Austritt aus der Linkspartei erklärt. Das bestätigte ein Sprecher der Partei ZEIT ONLINE. Bei der Pressekonferenz zur Gründung des neuen Vereins "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW) gab auch die bisherige Co-Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Amira Mohamed Ali, ihren Austritt bekannt. Ihren Angaben zufolge schließen sich neun Bundestagsabgeordnete Wagenknecht an.

Diese Entscheidung sei ihnen nicht leicht gefallen, sagte Mohamed Ali. " Schließlich war die Linke für uns viele Jahre – sogar Jahrzehnte – die politische Heimat." Gleichwohl bezeichnete sie den Austritt als "notwenigen und richtigen Schritt".

Mohammed Ali kündigte an, die Gruppe der ausgetretenen Politikerinnen und Politiker sei bereit, "bis zur tatsächlichen Neugründung der Partei in der Linksfraktion zu verbleiben". Man habe dazu den entsprechenden Antrag gestellt.

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Am gestrigen Samstag fand wohl der siebte "internationale Repair Day" mit vielen Aktionen statt. Habe ich leider aber erst heute mitbekommen.

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Da ist jemand sehr sauer auf Scholz. Und da ist ein US Unternehmen mit euren Daten.

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Dass Paska trotzdem vom Tourismus profitiert, liegt an den Steuerabgaben vom Campingplatz. Formal gehört er zum Dorf, geographisch ist er aber so entlegen, dass weder Touristen noch Dorfbewohner das so richtig mitbekommen. Sind die E-Bikes und Camper erstmal durchgefahren, bleibt das Dorf allein zurück - mit der AfD.

Seit der Landtagswahl 2019 hat die Partei ein besonderes Verhältnis zu Paska: 62,7 Prozent aller Stimmen machten den Ort über Nacht zur "AfD-Hochburg" und bundesweit bekannt. "Das ist ein Meilenstein gewesen", sagt Michael Kaufmann, der als AfD- Bundestagsabgeordneter den Wahlkreis 195 vertritt, zu dem der Saale-Orla-Kreis und damit auch Paska gehört.

Seit Jahren pflegt die Partei ihre Verbindung zum Ort stetig. 2019 verlegte die AfD-Landtagsfraktion ihre Weihnachtsfeier in die Linkenmühle, einem Gasthaus am Stausee. Kaufmann und die AfD luden aus Dankbarkeit für das sensationelle Wahlergebnis viele Paskaer zum Kloßessen ein.

Im Mai 2021 begleitete Kaufmann den AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke zu einem Anti-Corona-Auftritt nach Paska. Es war ein nach Höcke-Maßstäben handzahmer Auftritt. Zum Abschluss der Veranstaltung stimmte die AfD die Nationalhymne an und Paska sang mit.

Etwas abseits seiner Parteikollegen setzen wir uns für ein kurzes Interview auf eine Bank vors Gemeindehaus von Paska. Kaufmann trägt ein blaues AfD-Poloshirt und einen Strohhut, den er auf dieser Sommertour fast immer auf hat. Ich frage nach dem Kloßessen 2019, an das sich Kaufmann nicht mehr gut erinnern kann. Das sei einfach eine nette Geste ohne Hintergedanken gewesen, sagt er. Dass die AfD zu diesem Essen nur die Sympathisanten einlud und dass das die Dorfgemeinschaft bis heute spaltet, davon weiß er nichts.

Was die AfD den Paskaern bieten könnte? "Wir würden die Prioritäten anders setzen. Die Leute sehen, dass unheimlich viel Geld verwendet wird, um Millionen Flüchtlinge unterzubringen. Der Wohnraum wird knapp und teurer, dabei sind viele gar nicht asylberechtigt", sagt er. Es ist müßig zu erwähnen, dass es in Paska keinen einzigen Geflüchteten und auch keinen Wohnraummangel gibt.

Vielleicht habe ich im Vorfeld nicht deutlich genug gemacht, dass ich über Paska reden will. Kaufmann jedenfalls spricht über Bundespolitik und eine Unzufriedenheit im Land. Es geht um Russland, Bildung und Forschung. Schnell wird mir klar, dass er mir keinen tieferen Einblick in die Seele dieses Dorfes geben kann oder will.

Davon abgesehen, ist der AfD-Stand im Dorf für mich ein Tür - bzw. Menschenöffner. Er gibt mir den passenden Anlass, um mit Paskaern ins Gespräch zu kommen. Denn bisher hatte ich damit trotz intensiver Bemühungen ziemlich wenig Erfolg.

Schon Wochen vor dem Treffen mit Kaufmann hatte ich begonnen, erneut zu Paska zu recherchieren und meine wenigen Kontakte reaktiviert, die ich im Rahmen meiner ersten Recherche im Jahr 2020 geknüpft hatte. Schon damals scheuten die Paskaer die Medien wie der Teufel das Weihwasser und auch diesmal hält sich das Interesse an einem Dorfportrait in Grenzen.

Natürlich frage ich bei Tino Riemschneider an. Den parteilosen Bürgermeister von Paska hatte ich 2020 interviewt. Schon damals war es ein Kampf, ihn zum Gespräch zu bewegen. 2023 erreiche ich ihn trotz unzähliger Versuche nur ein einziges Mal: Er sei auf Arbeit und könne nicht sprechen. Wir könnten später reden, sagt er am Telefon, um mich anschließend zu "ghosten" – wie das heutzutage heißt, wenn man sämtliche SMS und Anrufe unerwidert lässt. Riemschneider, der im vergangenen Jahr mit 100 Prozent der Stimmen als Bürgermeister von Paska bestätigt wurde, hat so wenig Interesse an einem Gespräch, dass er meine Anfragen noch nicht einmal ablehnt.

Ich versuche es weiter: Paska hat vier Gewerbetreibende, einen Feuerwehrverein und eine Kirche. Ich besorge mir die Telefonnummer vom Vereinsvorsitzenden der Freiwilligen Feuerwehr. Am Telefon wirkt Herr K. meinem Anliegen gegenüber aufgeschlossen. Weil wir nicht gleich einen Termin finden, schreibe ich ihm wenig später eine SMS. Dann noch eine. Ich rufe an. Nichts. Plötzlich bekomme ich keine Antwort mehr. Auch Herr K. "ghostet" mich.

Die Besitzerin des Campingplatzes lässt mich kaum aussprechen, da würgt sie unser Telefonat uncharmant ab: "Ich will dazu nichts sagen. Da halte ich mich raus." Noch bevor ich etwas erwidern könnte, sagt sie in energischem Ton: "Akzeptieren Sie das!"

Ähnlich unwirsch weist mich der Holzwaren- und Werkzeughändler im Ort ab. Die Eigentümerin des Seminarhauses, das in Paska Meditationsseminare, Naturspaziergänge und andere esoterische Kurse anbietet, ist freundlich, aber ebenfalls nicht gewillt, mit mir zu sprechen.

Der letzte Unternehmer im Ort betreibt einen Sicherheitsdienst. Er scheint zugänglich und interessiert. Wir machen ein Interview aus. Nur einen Tag später sagt er per SMS wieder ab. Das Gleiche erlebe ich noch bei drei weiteren potenziellen Gesprächspartnern. Immer wenn ich einen Gesprächstermin ausgemacht habe, kommt kurz danach eine Absage. Seltsam.

Bruder ist das ne Sekte oder was ist da los?

Auch wenn der AfD-Stand zunächst etwas einsam auf dem Dorfanger gestanden hat, tut sich nun doch etwas: Ein Mann mit graumeliertem Haar, in Sommerhemd und Sandalen und eine Frau kommen an den AfD-Stand. Während die Frau etwas Abstand hält und vor allem zuhört, ist der Herr mit dem Sommerhemd voll in seinem Element: Ohne viel Umschweife beginnt er, auf die Regierung zu schimpfen und erntet am AfD-Stand anerkennendes Nicken.

Die Themen sprudeln aus dem Mann im Sommerhemd nur so heraus. Er scheint mit allem unzufrieden zu sein: Energiewende, Russland, Grundsteuer, Spritpreise, Lehrermangel. "Die Schulen im Saale-Orla-Kreis", hakt Thrum ein, um mal bei einem Thema konkret zu werden, "haben einen Sanierungsstau von über 100 Millionen Euro* angehäuft". Sein Gegenüber interessiert das kaum, er redet einfach weiter: "Stattdessen machen die ein Asylheim auf, um Fördermittel zu kassieren."

Thrum versucht immer wieder, konkrete Probleme im Saale-Orla-Kreis zu thematisieren: fehlende Löschwasserteiche, zu wenig Geld für neue Freibäder, nicht gebaute Sportanlagen und Radwege. Der Mann im Sommerhemd nimmt alles zum Anlass, um zu schimpfen und seinen allgemeinen Unmut zu erklären. Wirklich in die Tiefe geht das Gespräch nicht.

Nach etwa 15 Minuten geht es endlich mal um Paska und die nie gebaute Brücke an der Linkenmühle. "Wenn du mich fragst: Die Scheiße braucht hier niemand", sagt der Paskaer. Das sähen alle im Dorf so, sagt er. Und weiter: "Die sollen die 40 Millionen lieber sinnvoll investieren." Thrum stellt klar, es seien zwischen 20 und 40 Millionen*.

Dem Mann im Sommerhemd sind die Zahlen aber egal: "Ob 20, 40 oder 50 – am Ende wird das eh immer teurer", sagt er und rechnet weiter: "Da müssen die ja die ganze Straße neu machen, da sind wir dann bei 100 Millionen!" Als er schließlich von 200 Millionen fabuliert, schaltet sich Falko Graf ein und macht auf Fränkisch eine Ansage: "Fo wos fürrer Zouln reded er? Sen des 20 oder 200 Millionen? Des verschdätt do kaaner!"

Als der Paskaer gehen will, spreche ich ihn an. "Vom MDR?" fragt er ungläubig. "Keine Zeit!" Ich entgegne, dass er ja gerade viel Zeit für die AfD hatte und ich nur wissen wolle, wie er es findet, wenn sich eine Partei für Paska Zeit nimmt*. Er sei kein politischer Mensch, sagt er abweisend. "Aber die AfD, die packt was an!" Dann wendet er sich ab und verschwindet hinter einer Haustür.

Diese abweisende Haltung, die ich in Paska bisher erlebe, schlägt manchen hier alltäglich entgegen. So berichten es mir zwei Personen, die in Paska leben oder gelebt haben, unabhängig voneinander. Sie fühlen sich ausgestoßen, wurden aufgrund ihrer ablehnenden Haltung zur AfD oder anderen politischer Ansichten gemieden, angefeindet, ja sogar angegriffen.

Ein Interview lehnen sie aus Angst vor den Konsequenzen ab. Aber sie schildern eine Dorfgemeinschaft, in der Menschen mit rechtsextremer Einstellung den Ton bestimmen und wo über Nacht Wahlkampfplakate anderer Parteien abgehangen und anschließend beim Feuerwehrfest feierlich verbrannt würden.

Im Dorf gebe es ein paar "Lautsprecher", die beim gemeinsamen Grillabend immer wieder Politik zum Thema machten, erzählt er. Nach zwei, drei Bier würde dann gegen Flüchtlinge und Politik gehetzt. "Da geht es dann sehr deutlich gegen den Staat", sagt er und nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: "Das war aber früher auch schon so, da ging es gegen die Kommunisten."

"Uns geht es gut hier. Paska ist wunderschön und ich will hier auch nicht weg" sagt er und weiß selbst nicht weiter: "Ich verstehe nicht, warum die der AfD nachrennen. Die lösen doch keine Probleme." Dass er politisch eine andere Meinung habe, sei im Dorf bekannt. "Aber das wird bei mir akzeptiert, weil ich hier schon mein ganzes Leben lang wohne."

Fotos oder ein ausführlicheres Interview lehnt auch er ab, spricht aber trotzdem weiter mit mir und berichtet auch Positives: Der Fleischer komme einmal pro Woche ins Dorf, es gibt eine Kirmes und der Feuerwehrverein organisiere einen kleinen Weihnachtsmarkt. "Es gibt wenig, warum man hier wütend sein muss, aber es gibt leider viele die alles immer nur schlechtreden. Ehrlich, uns geht es gut hier!"

Die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus (Mobit) hat in ihrer Chronik extrem rechter Aktivitäten in Thüringen drei Einträge zu Paska aufgeführt: Das Kloßessen, der bereits erwähnte Anti-Corona-Auftritt von Björn Höcke und im Jahr 2017 ein Rechtsrockkonzert mit 120 Neonazis, das von der Polizei verhindert werden konnte.

Darüber hinaus stoße ich in meiner Recherche mehrmals auf den Namen Jasmin Rasche, die mindestens seit 2016 Thügida-Demos anmeldet und schon zuvor immer wieder auf rechten Veranstaltungen medial in Erscheinung trat und deren Nähe zu anderen Rechtsextremisten* gut belegt ist.

Rasche ist seit Jahren mit Marc S. aus Paska liiert und hat ihren Lebensmittelpunkt im Dorf. Davon zeugen einige Beiträge des Paares in den Sozialen Medien, die in Paska verortet wurden. Marc S. trägt auf einigen Bildern eine zensierte SS-Rune und andere nationalsozialistische Symboliken zur Schau. Ein weiterer Beleg für Jasmin Rasches Wirken in Paska ist ein Interview im MDR, das kurz nach der Landtagswahl 2019 aufgezeichnet wurde. Darin tritt sie als besorgte Bürgerin aus Paska auf.

Damit gibt es zwar zwei Personen, denen rechtsextremes Gedankengut zumindest nicht fremd ist, ob sie aber nennenswerten Einfluss auf die Dorfgemeinschaft haben, dafür finde ich keine Hinweise.

"Ich glaube, die Paskaer haben ihr eigenes Demokratieverständnis", sagt Ute Thalmann, die seit 2020 als Pfarrerin für die Gemeinde zuständig ist. "Mein Verständnis von Demokratie beruht auf Freiheit, Akzeptanz und vor allem den Willen, Vorurteile zu hinterfragen." Wie das Dorf Demokratie verstehe, kann Thalmann nicht sagen, dafür kenne sie die Gemeinde nicht gut genug.

Die Zuneigung zur AfD im Dorf sei kein Einzelfall: "Viele sympathisieren mit dem Gedankengut der AfD - dieser Trend geht hier durch die ganze Region. Die Unzufriedenheit sucht einen Kanal." Das merkt Thalmann auch in den Gottesdiensten: "Ich habe den Eindruck, dass Predigten zu politischen oder gesellschaftlichen Themen im ländlichen Umfeld weniger erwünscht sind." Das Problem sei, dass viele die christlichen Appelle als links, grün oder staatsnah missverstanden würden. "Kirche hat eine gesellschaftliche Aufgabe, damit ist sie aber nicht parteipolitisch", betont Thalmann.

Ob Menschen mit einer anderen politischen Einstellung in Paska ausgegrenzt würden, kann sie nicht sagen. Sie stelle aber fest, dass die Menschen verschlossen sind und auch Angst hätten, Stellung zu beziehen. "Wer will schon geächtet und ausgegrenzt sein, wenn man hier lebt und nicht weggehen kann, weil Haus und Hof seit Jahrhunderten da sind? Man hält sich bedeckt oder raus."

"Wie ist es aber im Dorf?", bohre ich nach und endlich erzählt er ein bisschen aus Paska. Alles sei gut. Es gebe keine Probleme. "Ich kann hier aus dem Haus gehen, ohne meine Tür abzuschließen", sagt er. Der Zusammenhalt im Dorf sei groß. Alles Bestens also.

Warum die Paskaer die AfD wählen, frage ich. "Außer der AfD interessiere sich keiner für uns auf dem Land." In Erfurt und Berlin werde nur Politik für die Stadt gemacht, meint er. Dann verabschiedet er sich, dreht sich im Weggehen aber nochmal um und ruft mir zu: "Es ist alles gut, aber denkt auch mal an uns!"

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Die makaberste Schlagzeile seit langem. Armer Justus, verliert ein paar Euro.

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Die Noch-Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht hat sich entschieden, eine eigene Partei zu gründen. Nach SPIEGEL-Informationen will sie am Montag damit an die Öffentlichkeit gehen.

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